Kabale und moderne Liebe
Das Drama „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller behandelt die Liebesgeschichte des adeligen Ferdinand von Walter und seiner Partnerin Luise Miller. Ihre Liebe wird von den jeweiligen Eltern aufgrund von Standesunterschieden versucht zu unterbinden. Besonders für Präsident von Walter scheint die Liebesbeziehung seines Sohnes mit einer bürgerlichen Stadtmusikantentochter inakzeptabel, und mit listigen Intrigen versucht er mehrfach, einen Schlussstrich unter diese Bindung zu ziehen.
Bei der Umsetzung von „Kabale und Liebe“ im Literatur – und Theaterunterricht war Kreativität gefordert. In dem Wahlfach, welches am Gymnasium Kenzingen angeboten wird, treffen Schüler*innen der Klassenstufe 11 und 12 aufeinander und erarbeiten gemeinsam die Grundlagen des Theaterspielens, die sie dann im Laufe des Schuljahres bei der Erprobung eines literarischen Werks praktisch auf die Bühne bringen können. Die leitenden Lehrkräfte Hanne Meyer, Simone Biehler und die Referendarin Karla Hummel legten dieses Jahr die kreative Planung des Theaterstücks in die Hand der Zwölfer. Diese entschieden sich für eine komplette Modernisierung und Übertragung des Dramas aus dem Jahr 1784 in die heutige Zeit. Wie könnte die Liebesgeschichte von Schiller in 2023 aussehen? Mit welchen Problemen haben Jugendliche heutzutage zu kämpfen? Welche Werte wollen die Schüler*innen vermitteln?
Sobald die Zwölfer sich auf die Handlung, neue Charaktere und die wichtigsten Szenen aus dem Original geeinigt hatten, entstanden mit Unterstützung der Elfer gekürzte Schlüsselszenen in moderner Sprache, die dennoch stellenweise Zitate aus „Kabale und Liebe“ beinhalteten.
Dadurch, dass auch umbenannte Rollen die Funktionen des Originals behielten, war ein Wiedererkennungswert garantiert.
Schnell war klar, dass der ursprünglich männliche Hauptcharakter Ferdinand in der neuen Fassung zur weiblichen Hauptrolle Florentine Biedermann (Isabella Groß) wird, um das Thema der Homosexualität aufzugreifen. Ihr steinreicher, gewalttätiger und homophober Vater Peter Biedermann (Levi Schmidt) ist gegen die Beziehung zu Luise, die lediglich die Tochter eines einfachen Mitarbeiterehepaars ist. Er wirft Florentine vor, sie verschwende ihre Zukunft und setze mit ihrem unnatürlichen Verhalten den Ruf des Familienunternehmens aufs Spiel. Die Mutter von Luise, Frau Miller (Elena Winkler) und eine Freundin (Amelie Hirsch) warnen die Teenagerin vor der Gefahr, die von Familie Biedermann ausgeht. Diese Warnung wird überhört und die Geschichte nimmt eine tragische Wendung. Mit einer ersten Intrige verkündet Biedermann eine Hochzeit zwischen Florentine und dem bekannten, erfolgreichen Jacob Milford (Marius Vogel), was zum einen die Firma stärken und zum anderen das Ende der Liebelei zwischen Florentine und Luise bewirken soll. Ein inszeniertes Dinner der Verlobten wird von Paparazzis (Sophie Ettner, Amelie Hirsch, Annelie Vollherbst) beobachtet, wodurch romantische Bilder in die Medien gelangen. Luise erschrickt beim Anblick von Florentine und ihrem Verlobten, jedoch ist die Beziehung der Mädchen stark genug und sie sprechen sich aus. Biedermann plant mit seinem Handlanger Wurm (Anika Haas) eine zweite Intrige. Wurm erpresst Luise mit dem finanziellen Ruin ihrer Eltern, wodurch sie sich zur Kooperation gezwungen fühlt. Bei einer Gala, auf der die Kellnerin (Johanna Müller) Champagner ausschenkt, sucht sich Biedermann noch mehr Unterstützung. Jenna Ortega (Sebahat Imeri), die den Schüler*innen durch die Netflix-Serie „Wednesday Adams“ bekannt ist, wird Teil der Intrige und wird von Biedermann beauftragt, gestellte Pärchenbilder mit Luise zu produzieren. Ein Prominewsvideo wird veröffentlicht, in dem eine Moderatorin (Johanna Schmidt) das Liebesaus bei Florentine und Luise ankündigt. Florentine verschlägt der Fakt, dass Luise ihr scheinbar untreu ist, die Sprache und sie verzweifelt. Mit der Endszene beeindruckt der Kurs das Publikum erneut. Alle Schüler*innen befinden sich auf der Bühne, tanzend in einem Club. Während der DJ die Jugendlichen anheizt, knallen sich Luise und Florentine Vorwürfe an die Köpfe. Florentine denkt, Luise empfinde keine Schuld, und in einem unbeobachteten Moment vergiftet sie Luises Getränk. Als Luise erklärt, dass Biedermann ihr gedroht hat, will Florentine sie vor der Wirkung der Droge bewahren. Luise liegt bereits regungslos auf dem Boden. Die Täterin kämpft mit sich und ihren Emotionen. Nach kurzem Zögern nimmt sie das vergiftete Getränk und trinkt es mit einem Schluck leer. Die Geliebten sterben, wie auch bei Schiller, gemeinsam.
Vor zwei Wochen präsentierten die Schülerinnen und Schüler in der Aula des Gymnasiums Kenzingen ihr selbstverfasstes Stück, in dem sie sehr überzeugend die Konflikte eines lesbischen Pärchens mit ihren Elternhäusern zum Gegenstand machten. Sehr abwechslungsreich und kreativ gestalteten die SchülerInnen nicht nur die Dialoge, sondern auch ihr Spiel auf der Bühne. So verwendete die Gruppe z.B. zahlreiche selbstbemalte Pappkartons in den Farben der lesbischen Flagge (orange, weiß, rosa), die in jeder Szene neu angeordnet ein neues Bühnenbild erzeugten.
Abgerundet wurden beide Abende durch ein Catering der elften bzw. zwölften Jahrgangsstufe, die die zahlreichen Gäste mit kalten Getränken und feinen Leckereien versorgten. Auch die Technik AG, die mittlerweile ausschließlich von Schüler*innen geleitet wird, trug mit Licht und Ton einen wichtigen Teil zur Theateraufführung bei.
Anstrengende Wochen mit Abiturklausuren und intensiven Proben liegen hinter den Schüler*innen, auf die sie mit Stolz zurückblicken können.
Text: Johanna Schmidt
Bilder: Dmytro Hubanov