Breslauer Straße 13, 79341 Kenzingen

Vielfalt verbindet – 100. Offene Bühne

BILDUNG | VIELFALT | TRADITION

Vielfalt verbindet – 100. Offene Bühne

Unter dem Motto „Vielfalt verbindet“ lud das Gymnasium Kenzingen am vergangenen Freitagabend, dem 16. Juni in die Alte Halle in Kenzingen ein, um feierlich die 100. Offene Bühne der Schule zu begehen. Dabei machten sowohl Programm, Mitwirkende als auch Zuschauer dem Motto alle Ehre.

Denn bereits im anwesenden Publikum aus Schülern, Lehrern, Eltern, Ehemaligen und Gemeindevertretern spiegelte sich die vielfältige über 30-jährige Geschichte der Offenen Bühne wider. Persönlich begrüßt wurden so etwa die ehemaligen Lehrkräfte Ortwin Vollmer, Wolfgang Hampel und Renate Oesterle, die einst das Zustandekommen vieler Offenen Bühnen ermöglicht bzw. lange Jahre die Eine-Welt-AG geleitet hatten, welche stets und auch an diesem Abend das Fundament der Veranstaltung bildete. Schulleiter Thilo Feucht zeigte sich in seiner Begrüßungsrede gespannt auf die diesmalige Offene Bühne, da es die erste seit 2019 wäre, und lud die Zuschauer ein, die vielfältigen Talente der Schulgemeinschaft zu erleben. Der Abend stünde aber auch im Gedenken des kürzlich verstorbenen Manfred Schlenkers, einst Lehrer am Gymnasium, der auch mal eine Offene Bühne „ganz alleine geschmissen“ hätte, so Feucht.

Den musikalischen Einstieg in den Abend beging die Schulband unter Leitung Anna Koch-Baders mit fünf Stücken, die bereits eine vielfältige Bandbreite aus persischen, türkischen und popkulturellen Merkmalen aufwiesen.

Sodann trat das Schülermoderationsteam auf die Bühne, das durch den Abend führen sollte, und blickte zurück auf die Anfänge der Offenen Bühne vor über 30 Jahren. Hierzu wurde Wolfgang Hampel aus dem Publikum geholt, der die erste Ausgabe 1991 initiiert hatte und erzählte, wie er den Titel „Offene Bühne“ als Alternative zum altmodisch klingenden „Hauskonzert“ gewählt hatte. Hampel zeigte sich gerührt vom langwährenden Erfolg seiner Idee und dankte den Mitschaffenden von heute, was die Moderation mit einem Dank an alle jemals an einer Offenen Bühne Mitwirkenden beantwortete. Hierfür gelte der Wahlspruch „Wenn viele kleine Leute viele kleine Schritte machen, können sie das Gesicht der Welt verändern“, den sich auch die Eine-Welt-AG auf die Fahnen geschrieben hat und für deren Projekte in diesem Zusammenhang um Spenden gebeten wurde. Anschließend wurde Hampel die Bühne ganz überlassen, der am Klavier eine fröhlich anmutende Country-Anlehnung namens „Black forest blue grass“ zum Besten gab.

Einen kulturellen Sprung zum afrikanischen Kontinent machte das Programm danach, indem Schulpate Raphael Kofi nach vorne gebeten wurde. Die Moderation stellte den gebürtigen Ghanesen als Vorbild für Integration, interkulturellen Austausch und Tradition vor. Nach dem Ursprung seiner Trommelleidenschaft gefragt, erzählte der Trommler von seinen Kindheitserfahrungen in ghanaischen Kirchen, wo Musizieren einen zentralen Aspekt ausmache.

Mit Iréne Epstein De Cou aus Frankreich hieß man außerdem eine ehemalige Kenzinger Bürgerin willkommen, deren Geschichte ebenfalls kurz aufgegriffen wurde: Die Tochter des jüdischen Kenzinger Bürgers Alfred Epstein ging noch als Kind mit ihrer Familie nach Frankreich, wo ihr Vater Widerstand gegen das Vichy-Regime leistete und 1944 den Nationalsozialisten zum Opfer fiel. De Cou, die sich heute für die Erinnerung an jene Zeit einsetzt, wurde als „immer gern gesehener“ Ehrengast begrüßt.

Mit Mariia Kryvych trat hiernach eine junge Vertreterin der ukrainischen Sache auf die Bühne, um mit „Davnja vesna“ ein Gedicht aus ihrer ukrainischen Heimat zu präsentieren. Zuvor jedoch machte sie das Publikum auf Deutsch mit der Dichterin Lesja Ukrainka vertraut, um anschließend mit bewegter und bewegender Stimme das Gedicht, dessen Titel „vergangener Frühling“ bedeutet, vorzutragen. Trotz der fremden Sprache übertrug sich die melancholische Stimmung der Worte eindrücklich, was das Publikum mit großem Beifall anerkannte.

Klassische musikalische Töne ließen dagegen Sonja und Daniel Himmelseher an Geige und Klavier erklingen, die von Jean-Babtiste Accolay das Concertino Nr. 1 in a-Moll gewählt hatten. Auch bei diesem Stück ließ man das Publikum nicht mit der Musik alleine, sondern brachte darüber hinaus die Hintergrundgeschichte zu Stück, Komponist und Erstaufführung nahe.

Für eine schauspielerische Abwechslung sorgte im Anschluss ein kurzer Ausschnitt aus dem Schillerstück „Kabale und Liebe“, das das Wahlfach Literatur und Theater der Kursstufe aufführte. Leiterinnen Simone Biehler und Hanne Meyer wiesen im Voraus auf die traditionelle Vielfalt im Theater hin und dass schon Schiller in seinem Werk die Trennung zwischen Adel und Bürgertum problematisierte. Angesichts aktueller Debatten habe man jedoch das Stück auf die Themen gleichgeschlechtliche Liebe und ökonomische Ungleichheit hin umgeschrieben. Dies machte die folgende Darbietung deutlich, wobei der vorgetragene Dialog in der skandalträchtigen Aussage der Hauptdarstellerin „Ich habe eine Freundin!“ kulminierte.

Die Rückkehr zur Musik folgte mit einem Beitrag Natalie Himmelsehers am Klavier, die Frédéric Chopins Etüde in f-Moll sowie „Valse Etude“ von William Gillock spielte. Dass Chopins auch als „The Bees“ bekanntes Stück diesem Spitznamen alle Ehre machte, verdankte sich der flinken Finger Himmelsehers, die dieses anspruchsvolle Lied scheinbar mühelos zum Leben erweckten.

Nach einer Pause, in der die Eine-Welt-AG Waren aus fairem Welthandel anbot, kulinarische Spezialitäten aus der Ukraine probiert werden konnten und Schülergemälde zur näheren Betrachtung einluden, führte auf der Bühne ein Quartett die Zuschauer in spanische Gefilde. Zum Spiel von Michael Faßbender am Klavier und Nikolaus Gündel an der Geige sowie zum Gesang von Pedro Molina Campana tanzte Bettina Sander einen Flamenco, der selbst ein buntes Gemisch aus vielfältigen Einflüssen sei, wie die Tänzerin zu Beginn angemerkt hatte. Während die Darbietung langsam, ruhig und gesangslos begann, nahmen Musik, Gesang und Tanz schrittweise an Fahrt auf und gingen zum Ende hin in einen energiegeladenen Rhythmus über, der sich in einem tosenden Applaus des Publikums entlud.

Philipp Kaiser bot im Kontrast dazu am Klavier eine geruhsame und erheiternde Darbietung zweier Lieder Bodo Wartkes. Mit „Nicht in meinem Namen“ nahm der ehemalige Schüler die Rolle eines Gottes ein und problematisierte auf humoristische Weise religiöse Intoleranz: „Wenn ihr das zerstört, was ich erschuf, dann handelt ihr nicht in meinem Namen“, so Kaiser und schloss mit „Schalom, Inschallah, Amen“. Auch mit dem „Liebeslied“ hatte er die Lacher auf seiner Seite und lehrte dem Publikum Liebeserklärungen in insgesamt neun Sprachen, darunter Niederländisch, Türkisch und Jugendsprache.

Einen ganz neuen Aspekt des Abends erlebten die Zuschauer mit einem Potpourri der schuleigenen Zirkus-AG, wobei Schülerinnen und Schüler sich als gekonnte Einradfahrerinnen, Jongleurinnen und Turnerinnen bewiesen und selbst eine vierstöckige menschliche Pyramide zustande brachten.

Noch einmal klassisch wurde es mit einer Flöteninterpretation des Concerto Opus 3, Nr. 11 von Antonio Vivaldi, die drei Schülerinnen und ein Schüler darboten, bevor eine Musikgruppe aus weiteren Schülerinnen und Schülern die abschließende Darbietung des Abends geben durften. Die sich selbst als „Gelegenheitsensemble“ bezeichnende Gruppe berichtete von ihrer Begegnung mit Menschen mit Down-Syndrom im Rahmen einer Sanitätsausbildung, die sie ganz neu über Vielfalt habe nachdenken lassen. Sodann spielten sie zum einen „Highlights from Fiddler on the Roof“ von Jerry Bock und zum anderen den Popklassiker „We are the world“ aus dem Jahre 1985, die ihre Auffassung von Vielfalt am besten widerspiegeln würden.

Bevor die Anwesenden in den ausklingenden Abend entlassen wurden, dankte die Moderation sowohl den Mitwirkenden als auch den Gekommenen. Insbesondere gedankt wurde den Veranstalterinnen Mira Bannwarth, Jana Bauch sowie Anna Koch-Bader, die Blumen entgegennehmen durften. Dem Dank schloss sich Schulleiter Feucht an, der selbst die überzogene Zeit gar nicht bemerkt habe. „Nehmen Sie dieses tolle Gefühl der Zeitlosigkeit mit nach Hause“, richtete er sich Abschied nehmend an die Zuschauer.

 

Text: Julian Burmeister

Fotos: PresseAG